Martina Loidl, gewerberechtliche und handelsrechtliche Geschäftsführerin des Ingenieurbüros TeLo GmbH
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Wenn Mutterschutz zum
Machtverzicht wird

Warum Frauen in Führungspositionen gesetzlich entrechtet werden: Ein Kommentar über strukturelle Benachteiligung von Geschäftsführerinnen – und das kollektive Wegschauen der Politik. Von Martina Loidl, betroffene gewerberechtliche und handelsrechtliche Geschäftsführerin des Ingenieurbüros TeLo GmbH

In Österreich gilt: Wer schwangere Frauen schützt, darf sie ruhig auch entmündigen – zumindest, wenn man das Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG) mit der Gewerbeordnung 1994 (GewO) kombiniert. Ein Gesetzespaket, das Frauen in Führungspositionen nicht nur behindert, sondern de facto entmachtet.

Konkret geht es um den Widerspruch zwischen §39 GewO, der vorsieht, dass gewerberechtliche GeschäftsführerInnen mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigt sein müssen, und den §§ 3 und 5 MSchG, die ein absolutes Beschäftigungsverbot acht Wochen vor und nach der Geburt festlegen. Der eine Paragraf fordert Verantwortung, der andere verbietet sie – mit der Folge, dass Frauen in verantwortungsvollen Funktionen gesetzlich gezwungen sind, ihre Rolle aufzugeben, sobald sie schwanger sind.

Das ist kein hypothetisches Problem, sondern Realität. Und es betrifft nicht nur einzelne Frauen, sondern eine ganze Berufsgruppe. Trotzdem reagiert die Politik mit Achselzucken.

„Konkrete gesetzliche Initiative bleibt aus“

Auf Nachfrage erklärte etwa Mag. Dr. Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), dass die geschilderte Problematik „aus unserer Sicht weniger eine strukturelle Benachteiligung angestellter Geschäftsführerinnen, sondern einen Schutz von Müttern (und Kindern) darstellt, der von manchen Betroffenen als etwas zu einengend gesehen werden kann.“ Eine Bestellung eines interimistischen Geschäftsführers sei laut WKO grundsätzlich möglich, aber schwierig umzusetzen. Zwar wird bei der WKO eingeräumt, dass es Probleme gibt, eine konkrete gesetzliche Initiative bleibt jedoch aus.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bestätigt das absolute Beschäftigungsverbot: „Absolut bedeutet, dass die schwangere Arbeitnehmerin nicht arbeiten darf, auch wenn sie dies ausdrücklich wünscht und vielleicht sogar gesundheitlich unbedenklich wäre“, so Mag. Walter Neubauer in seiner Antwort im Namen der Bundesministerin. Ausnahmen für bestimmte verantwortliche Positionen in Unternehmen seien „nicht vorgesehen oder in Zukunft angedacht“.

Klarer Befund: Alle wissen Bescheid, niemand ist zuständig

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hingegen stellt fest, dass sie für diesen Missstand nicht zuständig sei – obwohl sie die Problematik ausdrücklich erkennt. Eine Prüfung der Gesetzeslage sei nicht ihre Aufgabe. Zuständig sei das Sozialministerium. Und dieses wiederum verweist auf das Wirtschaftsministerium. Gleichzeitig empfiehlt die Gleichbehandlungsanwaltschaft eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder eine Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen EU-Recht.

Das Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung erklärt in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2025, dass es die Situation nachvollziehen könne, verweist aber ebenfalls auf das Sozialministerium. Zuständig sei man nicht. Betroffene sollten sich – so der offizielle Vorschlag – an das Bürgerservice wenden.

Auch die Arbeiterkammer erkennt das Problem an, wie in einem telefonischen Gespräch mitgeteilt wurde. Sie verweist jedoch darauf, dass sie laut Arbeiterkammergesetz für leitende Angestellte nicht zuständig sei.

Das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus weist in seiner Antwort vom 13. Juni 2025 darauf hin, dass die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers grundsätzlich an die tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Funktion geknüpft sei. Ein Absehen von der Abmeldung könne im Einzelfall möglich sein, etwa bei entsprechender Vertretung – letztlich liege die Beurteilung aber bei der Bezirksverwaltungsbehörde. Eine Änderung des § 39 GewO sei „nicht in Planung oder beabsichtigt“, so Mag. Irene Linke im Namen des Bundesministers.

Damit ergibt sich ein klarer Befund: Alle wissen Bescheid, doch niemand fühlt sich verantwortlich.

Ausnahmeregelung als (einfache) Lösung

Dabei wäre die Lösung einfach: Eine Ausnahmeregelung für gewerberechtliche Geschäftsführerinnen und andere leitende Angestellte – etwa Frauen mit Prokura –, die es erlaubt, während der Mutterschutzfrist bestimmte nicht-physische Tätigkeiten weiterzuführen. Was für Bäuerinnen, Politikerinnen oder selbstständige Unternehmerinnen längst gelebte Realität ist, sollte auch angestellten Führungskräften möglich sein: rechtlich handlungsfähig zu bleiben, ohne zwischen Schutzfrist und beruflichem Bedeutungsverlust wählen zu müssen.
Dann wäre auch für junge weibliche Führungskräfte ein Aufstieg möglich – nicht über Quoten, sondern über Kompetenz und Kontinuität. Dass eine solche Regelung rechtlich möglich wäre, zeigt die Antwort des Sozialministeriums selbst – in der die gesundheitliche Unbedenklichkeit eingeräumt wird.

Stattdessen erleben Frauen, die in Führungspositionen gehen, heute ein System, das sie im Zweifel zurück ins gesellschaftliche Abseits schiebt. Und das ausgerechnet mit Gesetzen, die einst zum Schutz geschaffen wurden.

Fazit: Es ist Zeit, diesen „Schutz“ zu modernisieren – damit Frauen im Jahr 2025 aufhören müssen, zwischen Rücktritt, illegaler Beschäftigung oder kinderloser Karriere zu wählen.

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