Ein Mann im marineblauen Anzug und mit hellblauer Krawatte sitzt auf einer orangefarbenen Couch vor einer Glaswand mit deutschen Worten und der schwachen Abbildung eines historischen Gebäudes im Hintergrund. Er lächelt und trägt eine Brille.
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„Wir müssen solidarisch sein“

Die Rolle des Versicherers wird künft ig noch stärker die eines Gesundheitsbegleiters und Vorsorgepartners sein – was es dafür braucht und welche Herausforderungen darüber hinaus im größeren Rahmen noch auf uns warten, analysiert Klaus Scheitegel, Generaldirektor der GRAWE.

Welches Resümee ziehen Sie nach dem Start der neuen Gesundheitsversicherung GRAWE MyMED in Österreich vor einem Jahr?

Unsere Erwartungen wurden übertroffen, wir konnten über 6.000 Kundinnen und Kunden gewinnen. Dieses neue Produkt hat auch eine positive Wirkung auf viele Bereiche in unserem Haus, vor allem in der Digitalisierung. 100 Prozent aller Versicherungsanträge werden elektronisch und damit papierlos verarbeitet. Die Gesundheitsversicherung war für uns der strategisch richtige Schritt. Sie ist ein Projekt für die nächsten Generationen.

Ein Mann im Anzug steht vor einer orangefarbenen Couch und lächelt. Hinter ihm befindet sich eine helle Wand mit Worten in verschiedenen Farben und ein großes Fenster, das ein historisches Gebäude zeigt.

Der Innovationsgeist des Gründers Erzherzog Johann ist in der GRAWE auch heute noch unter Generaldirektor Klaus Scheitegel präsent.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Veränderungen für die Versicherungswirtschaft in den kommenden Jahren?

An erster Stelle stehen Naturkatastrophen, gefolgt von der demografischen Entwicklung. Wir leben alle immer länger, das ist eine schöne Nachricht. Wir dürfen uns aber weder auf unsere Gesundheit noch auf die staatliche Versorgung verlassen, wir müssen aktiv bleiben und Maßnahmen treffen. Als Versicherer können wir zum einen den Bereich Vorsorge abdecken, damit wir unser Wohlstandsniveau halten können, zum anderen Prävention bereits in jungen Jahren forcieren. Dieser Paradigmenwechsel von der Heilung von Krankheiten hin zur Vorbeugung ist bei vielen jungen Menschen bereits angekommen, das begeistert uns.

„Wir können die Zukunft  nicht vorhersagen, aber uns so aufstellen, dass Auswirkungen in einer großen Solidargemeinschaft tragbar werden.“

Klaus Scheitegel
Generaldirektor der GRAWE

Welche Lücke füllt GRAWE MyMED im bestehenden Gesundheitssystem, welchen Bedürfnissen kommt das Angebot vor allem nach?

Bei unseren Gesundheitsprodukten arbeiten wir über das Leistungsangebot der privaten Krankenversicherung hinaus mit einer Reihe von externen Partnern zusammen. Das beginnt bei der Ernährungsberatung und geht über Sport bis hin zu einem Fokus auf psychischer Gesundheit, das ist einmalig bei uns. Derzeit besteht ein Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionisten von 3:1, im Jahr 2040 kommt bereits ein Pensionist auf zwei Erwerbstätige. Je früher wir da Entlastungen ansetzen, sowohl für das staatliche System als auch für uns selbst, umso besser ist das. Viele Menschen beschäftigen sich noch immer nicht mit den Beträgen, die sie in ihrer Pension erhalten werden, das Thema Altersarmut kann in unserer Gesellschaft noch einiges auslösen. Der Staat artikuliert die Themen Sparen und Kürzungen bereits täglich. Es ist höchst an der Zeit, gezielt etwas zu unternehmen. Darüber hinaus haben ein schwedischer und ein österreichischer Mann die gleiche Lebenserwartung, der schwedische Mann bleibt allerdings länger gesund. Man muss kritisch hinterfragen, woran das liegt. Als Versicherer sehen wir uns da als Berater, als Aufklärer, als Lebensbegleiter.

5.000

2,65 Mio.

966,2 Mio.

Welche Veränderungen kommen noch auf uns zu?

Ich glaube nicht, dass das Leben per se gefährlicher wird, aber die Rahmenbedingungen verändern sich. In schneearmen Wintern gibt es beispielsweise weniger Schadensfälle wegen Glatteis, dafür aber mehr schwere Skiunfälle aufgrund des Aufpralls auf steinigen Unter-gründen. Die Schadensbilder ändern sich. Immer mehr Regen trifft auf verdichtetem Boden auf und fließt in Bereiche ab, wo wir noch nicht damit gerechnet haben. Das ist eine dynamische Entwicklung.

Welche Rolle können Künstliche Intelligenz und Automatisierung hier und in anderen Bereichen spielen – wo liegen aber auch die Grenzen?

Wir setzen Künstliche Intelligenz für Simulationen – etwa von Stürmen – ein, um Risiken zu analysieren und Schadensbilder hochzurechnen. Eine der wichtigsten Strategien für einen Versicherer ist die Diversifizierung. Das heißt: Wir verteilen Risiken. Das setzt die GRAWE zum Beispiel auch in ihren Geschäftsfeldern um. Wir agieren im Banken- und Versicherungsbereich, wir sind in 13 Ländern vertreten. KI kann in vielen Feldern viel schnellere Antworten liefern. Datenschutz und Datensicherheit sind natürlich ein großes und sensibles Thema. Es werden vor allem monotone Arbeiten automatisiert, das schafft Raum für Kreativität und für Beratungstätigkeiten. Natürlich gibt es KI-Systeme mit Spracherkennung, in unserer Telefonzentrale werden aber weiterhin Menschen abheben. Das ist Teil unserer Unternehmensphilosophie, wie wir mit Kundinnen und Kunden umgehen wollen.

Ein Mann mittleren Alters mit grauem Haar und Brille, der einen blauen Anzug, ein weißes Hemd und eine hellblaue Krawatte trägt, lächelt und posiert vor einem hellen Hintergrund mit einem teilweise sichtbaren geometrischen Muster.

„Die Länder, in denen wir aktiv sind, befinden sich auf unterschiedlichen Levels, aber die Bedürfnisse der jungen Leute ähneln sich sehr.“

Klaus Scheitegel
Generaldirektor der GRAWE

Die GRAWE Group ist in 13 Ländern aktiv. Welche Entwicklungen gibt es in anderen Märkten?

Im letzten Jahr sind wir außerhalb von Österreich stark gewachsen, speziell in Rumänien. Gemeinsam mit Slowenien, Kroatien, Serbien und Nordmazedonien ist das aktuell für uns eine wichtige Wachstumsachse. Auch Staaten wie Moldawien sind für uns interessant. Die Balkanstaaten haben mit den selben demografischen Herausforderungen zu tun, auch Wetterereignisse kennen keine nationalen Grenzen. Aufgrund der Konjunkturlage sind die Wachstumszahlen innerhalb der EU in Österreich und Deutschland aber am geringsten. Derzeit erwirtschaften wir 54 Prozent unseres Geschäfts in Österreich und 46 Prozent im Ausland – mit einer klaren Tendenz hin zu einem Verhältnis von 50:50.

Welche Hausaufgaben sind vor allem zu erledigen?

Aus Konzernsicht behandeln wir EU-Gesellschaften und Nicht-EU-Gesellschaften gleich. Wir sind leidenschaftliche Verfechter der europäischen Idee und der EU. Im Juni wird sich entscheiden, ob in Bulgarien 2026 der Euro eingeführt wird. Darüber würden wir uns freuen, das bringt Erleichterungen im Konzern. Hier gilt es, nicht zuletzt die Cybersicherheit von Daten auf ein gemeinsames Level zu bringen. Die Länder, in denen wir aktiv sind, befinden sich auf unterschiedlichen Niveau-Levels, aber die Bedürfnisse der jungen Leute ähneln sich: Es geht um eine solide Ausbildung, einen guten Job, Entwicklungschancen und die Möglichkeit, sich Wünsche zu erfüllen – da sind zum Beispiel keine Unterschiede zwischen österreichischer und rumänischer Jugend erkennbar.

Das 200-Jahr-Jubiläum im Jahr 2028 rückt näher: Was hat den Wandel über diesen Zeitrahmen überdauert und Kontinuität gesichert?

Wir freuen uns schon darauf – und tragen bereits besondere Dokumente aus den Archiven zusammen. Der älteste Geschäftsbericht unseres Hauses stammt aus dem Jahr 1830. Damals hatten wir 15.500 Vereinsmitglieder, es war ein starkes Geschäftsjahr. 29 Feuersbrünste, für die Vergütung zu leisten war, betrafen damals über 215 Gebäude und 142 Versicherte. Den Schlusssatz im Geschäftsbericht finde ich schön: „Vertrauen auf vaterländischen Sinn hat unsere Anstalt gestiftet. Aus Nichts ist sie bereits groß geworden. Die Hoffnung, dass sich Steiermark, Kärnten und Krain, Österreich, Mähren und Schlesien brüderlich die Hände reichen und einen großen Verein bilden, der gegenseitige Hilfe im Unglück zum Zwecke hat, ist bereits verwirklicht.“ Auch heute gilt: Wir müssen zusammenhalten, dann können wir viel bewegen. Wir müssen Sinn stiften und solidarisch zusammenarbeiten – das ist so modern wie damals.

Ein Mann mittleren Alters mit weißem Hemd und blauer Krawatte gestikuliert, während er an einem Schreibtisch in einem Büro spricht, vor dem eine Kaffeetasse, Papiere und ein Stift liegen.
Klaus Scheitegel ist seit 32 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Konzern tätig, seit 2017 ist er Generaldirektor.

Was motiviert Sie persönlich, ein Unternehmen wie die GRAWE durch bewegte Zeiten zu führen und dabei auch die Achtsamkeit für die eigene Gesundheit nicht zu vernachlässigen?

Ich bin in einer glücklichen Situation: Ich mache das, was ich tue, sehr gern. Für die mentale Gesundheit ist das ein wesentlicher Punkt. Was die körperliche Gesundheit betrifft: Wir haben viele verschiedene Generationen bei uns im Haus, auch viele junge Mitarbeiter, die uns fordern. Ich lerne da öfter von eigenen Leuten, die gerade in dieser Hinsicht Vorbilder sind. Und grundsätzlich gilt: Wir Versicherer können die Zukunft nicht vorhersagen, aber anhand von Zahlen, Daten und Fakten in der Vergangenheit können wir versuchen, uns so aufzustellen, dass die Auswirkungen für uns alle in einer großen Solidargemeinschaft tragbar werden.

Fotos: Oliver Wolf

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