Zwei Personen in Geschäftskleidung stehen vor einem Hintergrund mit dem "AMS"-Logo. Der Mann auf der linken Seite sitzt auf einem Hocker und trägt einen blauen Anzug, die Frau auf der rechten Seite steht und trägt einen beigen Blazer. Beide lächeln.
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Zwischen Zwang und Freiheit

„Teilzeit ist ein Karrierehemmnis.“ „Teilzeit verschärft den Fachkräftemangel.“ „Lifestyle-Teilzeit schadet dem Standort.“ – So lauten aktuell die Schlagzeilen, wenn über Arbeitszeitmodelle in Österreich diskutiert wird.

Tatsächlich verdienen Teilzeitbeschäftigte weniger, zahlen weniger ins Sozialsystem ein und haben schlechtere Pensionsaussichten. Doch wer nur auf die Risiken blickt, dessen Blick greift zu kurz. Für viele Menschen ist Teilzeit nicht Luxus, sondern die einzige Möglichkeit, Erwerbsarbeit mit den realen Anforderungen des Lebens zu verbinden.

Familie und Betreuung: Das ungelöste österreichische Dilemma

In kaum einem anderen europäischen Land ist das Rollenmodell so fest verankert wie in Österreich: Frauen arbeiten zu 51 Prozent in Teilzeit, weil sie den Großteil der Kinderbetreuung und Pflege übernehmen. Das liegt nicht nur an Traditionen, sondern auch an Strukturen. Viele Kindergärten, wenn es überhaupt einen Platz gibt, schließen zu Mittag, Ganztagesplätze sind rar, Randzeiten werden kaum abgedeckt. Wer in so einem Umfeld Vollzeit arbeiten möchte, stößt rasch an Grenzen.

Wenn Gesundheit oder Weiterbildung Vollzeit verhindern

Teilzeit ist nicht nur ein Familienthema. Für junge Erwachsene, die eine Ausbildung nebenbei absolvieren oder für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen bedeutet sie überhaupt erst den Zugang zum oder den Verbleib am Arbeitsmarkt. Ohne flexible Arbeitszeitmodelle würden viele schlicht ausgeschlossen bleiben, die Arbeitslosigkeit würde explodieren.

Mehr Zeit im Leben, mehr Balance

Teilzeitarbeit ist zudem eine bewusste Entscheidung, um mehr Lebensqualität zu gewinnen. Freizeit, Ehrenamt oder schlicht ein gesünderer Umgang mit Stress und Belastung sind wichtige Gründe. Angesichts steigender Burn-out-Zahlen und dem Ziel, bis oder gar über die Pension hinaus zu arbeiten, sollte man diesen Aspekt nicht kleinreden.

Zwei Personen in Geschäftskleidung stehen vor einem Hintergrund mit dem "AMS"-Logo. Der Mann auf der linken Seite sitzt auf einem Hocker und trägt einen blauen Anzug, die Frau auf der rechten Seite steht und trägt einen beigen Blazer. Beide lächeln.
Karl-Heinz Snobe und Yvonne Popper-Pieber AMS-Landesgeschäftsführung

Auch Unternehmen profitieren massiv

Auch Betriebe ziehen Vorteile aus Teilzeit, weil sie Arbeitszeiten flexibler an Auftragslagen anpassen können und damit wirtschaftlich beweglicher bleiben. Ganze Branchen wie das Gesundheits- und Sozialwesen, der Reinigungsbereich oder der Handel bieten wenige Vollzeitstellen an. Teilzeit ist also nicht bloß eine Notlösung, sondern auch ein strategisches Instrument.

Fazit

Nicht Teilzeit ist das Problem, sondern die Strukturen in unserem Land. Die eigentliche Schwäche liegt nicht in der Teilzeit selbst, sondern in den Rahmenbedingungen: fehlende Kinderbetreuung, ungleiche Verteilung der Care-Arbeit, Branchen mit hoch flexiblen Arbeitszeiten. Wer Teilzeit pauschal kritisiert, verkennt, dass sie für viele alternativlos ist. Eine ehrliche Debatte sollte daher nicht nur Defizite betonen, sondern Wege aufzeigen, wie Teilzeit zur echten Wahlmöglichkeit werden kann. Erst wenn Betreuung, Pflege, berufliche Weiterbildung und Beruf gleichermaßen wertgeschätzt wird, wird Teilzeit in Österreich nicht länger als Notlösung gelten, sondern als Ausdruck einer modernen Arbeitswelt.

Foto: AMS/Chris Zenz

Banner mit dem Text "trinkvergnügen" und "Über 450 Weine & Champagner einfach online bestellen." Rechts zeigt ein Foto zwei Gläser Rotwein auf einem Holztisch im Freien bei Sonnenuntergang.