Ein Mann mit kurzen Haaren und Bart, der einen dunklen Pullover und eine Smartwatch trägt, steht mit verschränkten Armen vor einem großen Karten- oder Luftbild-Wanddisplay.
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Brand aus! Die KI-Feuerwehr

Waldbrände nehmen weltweit zu und verursachen enorme wirtschaftliche und ökologische Schäden. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung forscht man intensiv an Methoden, die Einsatzkräfte im Kampf gegen Großbrände unterstützen: Markus Bergen und sein 12-köpfiges Team am Joanneum Research DIGITAL entwickeln dafür KI-basierte Technologien.

Glühende Hitze, dichter Rauch, Funken im Wind: Bei sengenden Temperaturen kämpfen Einsatzkräfte in schwerer Ausrüstung mit Atemschutzgeräten gegen eine Flammenfront, die sich scheinbar unaufhaltsam durchs trockene Unterholz frisst. Jeder Atemzug brennt, jeder Schritt ist riskant – eine einzelne Böe, ein Drehen der Windrichtung können das Feuer in Sekunden neu entfachen und die Helfer in Gefahr bringen. Löschfahrzeuge stoßen auf unwegsames Gelände, glühende Hölzer fliegen durch die Luft, Kunststoffteile der Ausrüstung drohen zu schmelzen. Dieses Szenario ist leider kein Filmdrehbuch, sondern beinharte Realität: Jährlich steht weltweit Wald in der Größe von 18 Millionen Fußballfeldern in Flammen. Klimabedingte Höchsttemperatur und Dürreperioden heizen den Naturkatastrophen so richtig ein.

Eine schwarze Drohne mit vier Rotoren fliegt über einen Feldweg in einem grünen Wald, umgeben von hohen Bäumen und unter einem teilweise bewölkten blauen Himmel.
Drohnen überfliegen das Brandgelände, sammeln Daten und orten Verletzte sowie Glutnester.

KIRAS: Österreich wegweisend für ganz Europa

Die Wissenschaft hat das längst als wichtiges Forschungsgebiet definiert – in Österreich unterstützt von KIRAS, dem Förderungsprogramm des Bundes für zivile Forschungsprojekte für mehr gesellschaftliche Sicherheit, abgewickelt von der Österreichischen Forschungsförderung FFG. Als die Förderungsschiene vor 20 Jahren an den Start ging, war sie die erste ihrer Art in Europa, und KIRAS gilt auch heute noch als wegweisend. „KI-SEcAssist“ nennt sich das Projekt, das unter Koordination von Joanneum Research bzw. DIGITAL-Senior-Researcher Markus Bergen intelligente Assistenzsysteme für Einsatzkräfte entwickelt. Herzstück sind unbemannte Luft- und Bodenfahrzeuge, ausgestattet mit Multisensoren, die in der Lage sind, nahezu in Echtzeit das für die strategische Brandbekämpfung so wichtige Lagebild zu generieren. Die KI-gestützten Systeme können Brände frühzeitig erkennen, betroffene Gebiete evaluieren und kartieren sowie bei der Evakuierung unterstützen. „Hochgradig automatisierte Drohnen und Bodenfahrzeuge liefern uns Informationen über Temperaturen und Gase, geografische Hindernisse, Glutnester und Verletzte. Aus den unzähligen Daten fertigen wir ein technisches und visuelles Gesamtbild der Einsatzsituation. Es befähigt den Kommandanten und seine Einsatzkräfte, eine Strategie zu entwickeln und den Einsatz möglichst effizient, risikoarm und ressourcenschonend durchzuführen“, erklärt Bergen. Über das Datensammeln hinaus können die autonomen Luft- und Bodenfahrzeuge eigenständig in gefährdete Gebiete vordringen, Material oder Löschwasser anliefern oder Menschen aus der Gefahrenzone bergen.

Ein Mann steht vor einer Landkarte.

Markus Bergen

  • Doktor der Tele­matik („Information and Computer Engineering“, 2022, TU Graz)
  • Spezialist für photogrammetrische Bildverarbeitung, Geo­informationsdienste und Multi-Sensor-
    Systeme
  • Seit Oktober 2023 bei Joanneum Research DIGITAL in der Forschungsgruppe „Fernerkundung und Geoinformation“ tätig
  • Forschungsschwerpunkte aktuell: umfassende Lagebildinformationen für die Bereiche Sicherheit und Verteidigung mithilfe mobiler Plattformen, tragbarer Sensorik, Geodatenanalysen und Sensorfusion

 

Mensch vor Maschine

Das System beruht auf dem „Human in the Loop“-Prinzip (HILT), demzufolge der Mensch die Entscheidungsprozesse aktiv (mit-)steuert und die KI ihre Empfehlungen bzw. Maßnahmen für den menschlichen Operator stets transparent und verständlich erläutert. Bergen: „Wir sprechen hier nicht von autonomen, sondern von hochgradig automatisierten Systemen. Ziel ist, die Entscheidungskompetenz und auch die Sicherheit der Einsatzkräfte proaktiv zu stärken, nicht, sie zu ersetzen.“ Die Technologie dient als erweitertes Informations- und Unterstützungstool: „Lagebild und Strategie entstehen immer noch im Kopf des Kommandanten, der mit seiner Erfahrung und dem eingespielten Team dann die Lage managt.“ Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine wird laufend optimiert – immer mit dem Zweck, Gefahren besser zu erkennen und schneller bekämpfen zu können.

Drohnen übernehmen Brandwache

Ein gutes Beispiel ist die Brandwache, die ein Wiederaufflammen des Feuers verhindern soll. Sie dauert je nach Bodenbeschaffenheit bis zu mehreren Wochen und stellt Feuerwehrleute vor Herausforderungen: Glutnester können in bis zu eineinhalb Metern Tiefe im Boden schlummern und sich über trockenes Wurzelwerk ausbreiten. Deshalb sind sie für die Einsatzkräfte im Schutzanzug optisch oft schwer zu erkennen. „Wir setzen kleinräumige, flexible Multirota-Drohnen ein. Sie orten die Glutnester mit Wärmebildkameras mit sehr hoher Trefferquote“, erläutert Markus Bergen.

Eine schwarze Drohne fliegt in der Nähe einer hohen Kiefer in einer bergigen Landschaft unter einem klaren blauen Himmel, mit grünen Hügeln und weiteren Kiefern im Hintergrund.

Herzrate und Atemfrequenz

Weitere Leistungen der KI-gestützten Technologie sind eine Kommunikationsfunktion, die das aktuelle Lagebild mit Bild-, Sensordaten und Kartenansicht in Echtzeit an die mobilen Geräte der Einsatzkräfte sendet, oder auch Informationen über das sogenannte erweiterte Lagebild, das die individuelle Situation der Einsatzkräfte beinhaltet. Bergen: „Die Umgebung ist sehr heiß, die Atmung durch die Schutzgeräte erschwert. Die Ausrüstung hat viel Gewicht – all das ergibt eine hohe körperliche Belastung für die Menschen vor Ort. In Parallelprojekten haben wir körpergetragene Sensoren entwickelt, die in erster Linie Herzrate und -variabilität, Atemfrequenz, Körperkerntemperatur und weitere physische Parameter der Feuerwehrleute messen und ein zeitnahes Reagieren des Einsatzleiters ermöglichen.“

Raus aus dem Elfenbeinturm!

Apropos Kommunikation: Bei allem Mehrwert, den die Wissenschaft antritt, zu leisten, müssen Markus Bergen und seine Kolleginnen und Kollegen bei ihren Endkunden – vorrangig Einsatzorganisationen – auch Akzeptanz schaffen und Bewusstseinsarbeit leisten: „Kommunikation ist das Um und Auf. Dabei geht es nicht nur darum, die internen Funktionsweisen und Abläufe exakt kennenzulernen, damit wir unsere Anwendungen auf die Bedürfnisse der Einsatzkräfte maßschneidern können – wir wollen ja nicht belasten oder behindern, sondern unterstützen und stärken. Nein, es geht auch darum, Partner für Praxisprojekte zu gewinnen, potenzielle Vorbehalte gegen neue Technologien abzubauen und den Sinn bzw. Mehrwert unserer Tools verständlich zu machen.“ Denn nur wenn alle Anwenderinnen und Anwender in der Einsatzorganisation die Weiterentwicklung mittragen, kann die Wissenschaft sinnstiftend tätig werden – das gilt für die Einsatzleitung gleichermaßen wie für die Firefighter vor Ort. Eine weitere tragende Rolle spielen die Industriepartner in den Forschungsprojekten, die Maßgebliches zur Prototypenentwicklung bzw. Produktwerdung beitragen: „Besonders am Herzen liegt uns die Anwendung unserer Arbeit in der Praxis und das Überführen der Erkenntnisse in operative Systeme. Dieser Einsatzgedanke motiviert uns – wir möchten einen konkreten Nutzen erzeugen. Dass das bei Joanneum Research eine hohe Priorität hat, beweisen Projekte aus anderen Sicherheitsbereichen wie etwa das akustische Tunnelmonitoring, das seit Jahren erfolgreich im Einsatz ist.“

Fürs große Ganze

Die Technologien aus „KI-SecAssist“ können adaptiert auch auf Überschwemmungen, Erdbewegungen, Murenabgänge und andere Naturkatastrophen angewandt werden, der Kontrolle kritischer Infrastruktur oder Grenzraumüberwachung dienen. Allen Einsätzen gemeinsam sei „das gesellschaftlich Relevante“, so Bergen. „Wir arbeiten ja nicht einfach nur, um Projekte abzuwickeln. Wir möchten unsere Energie zum Wohle der Gesellschaft insgesamt einsetzen.“

KI-SecAssist

KI-basierte kooperative Luft- und Bodenrobotik zur Unterstützung von Einsatzkräften in Krisensituationen

Projektkoordinator:
Joanneum Research

Projektpartner:

  • Berufsfeuerwehr Graz
  • AIT Austrian Institute of Technology GmbH
  • HAWE Mattro GmbH
  • Disaster Competence Network Austria – Kompetenznetzwerk für Katastrophenprävention
    Feischl Richard Ing.
  • twins gmbh
  • Freiwillige Feuerwehr Gumpoldskirchen
  • TU Graz
  • Bundesministerium für Landesverteidigung

 

Fotos: beigestellt

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