Ein Mann mit dunklem Haar und heller Haut lehnt im Freien an einer Glaswand und schaut nachdenklich in die Ferne. Er trägt eine marineblaue Jacke über einem weißen Hemd mit einem dezenten Muster.
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Energie bis ins hohe Alter

Millionen von Batterien werden weltweit in die vorzeitige Pension geschickt. Dabei könnten sie bei besserer wissenschaftlicher Datenlage bis ins fortgeschrittene Alter wertvolle Energie speichern. Christian Ellersdorfer, Wissenschaft er an der Technischen Universität Graz und Geschäftsführer des neuen steirischen COMET-Zentrums Battery4Life, forscht für mehr Sicherheit und längere Lebenszyklen der Leistungsträger.

Lithium-Ionen-Batterien sind ein Herzstück der Energiewende. Elektroautos, E-Bikes, Smartphones, Laptops, Energiespeicher für Solaranlagen – Digitalisierung und Green Transition sind auf dem Vormarsch und lassen die Nachfrage explodieren: Für das Jahr 2030 prognostizieren Experten eine globale Kapazität von mehr als 8.900 Gigawattstunden (GWh) dieser Energieträger. Mit der gleichen Leistung könnte man übrigens mehr als 500.000 Jahre ununterbrochen Speisen auf einem E-Herd zubereiten. Und der Hunger wächst: Eine hohe Energiedichte, lange Lebensdauer und geringe Selbstentladung machen die Batterien zur bevorzugten Speicherlösung – und zur intensiv beforschten Zukunftstechnologie.

„Wir stellen uns täglich die Frage, wie wir Lithium-Ionen-Batterien besser verstehen und charmanter nutzen können.“

Christian Ellersdorfer
Geschäftsführer COMETZentrum Battery4Life

Vom Kurzschluss zur zweiten Chance

Denn auf ihrem Siegeszug haben die Akkus komplexe Herausforderungen im Gepäck. Erstens, das Thema Betriebssicherheit: Zu den potenziellen Gefahren gehören Kurzschlüsse, Überhitzung, Brände und Explosionen, insbesondere, wenn die Batterien beschädigt, falsch belastet oder unsachgemäß entsorgt werden. Der zweite Themenkomplex betrifft Nachhaltigkeit: Beim Abbau von Lithium, Kobalt und Nickel entstehen erhebliche Umweltschäden, darunter Wasserverbrauch, Verschmutzung und Zerstörung von Ökosystemen. Bei unsachgemäßer Entsorgung können Batterien giftige Chemikalien freisetzen. Und so gewinnen die Bereiche Second Life und Recycling von LIBs zunehmend an Bedeutung: Je länger und vielfältiger eine Batterie über ihre Lebensdauer eingesetzt wird, desto umweltfreundlicher. Zudem braucht es Verfahren, um wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer zurückzugewinnen und erneut in die Batterieproduktion einzuspeisen.

Ein Mann in einem dunklen Blazer, einem gemusterten Hemd, einer grauen Hose und bunten Socken sitzt an einer Industrieausrüstung in einem hellen, modernen Labor mit Metalltreppen und Maschinen im Hintergrund.

Christian Ellersdorfer an einem Prüfstand des Battery Safety Centers Graz.

Verständnis und Charme

„Wir stellen uns täglich die Frage: Wie können wir Lithium-Ionen-Batterien besser verstehen und charmanter nutzen?“, formuliert Christian Ellersdorfer, CEO von Battery4Life, das wissenschaftliche Ziel. Der Grazer TU-Professor beschäftigt sich seit nunmehr 15 Jahren mit dem Thema Fahrzeugsicherheit im Zusammenhang mit Batterietechnologie – seit Kurzem auch im Rahmen des neuen COMET-Zentrums, in das die FFG, die Länder Steiermark und Oberösterreich sowie Unternehmen knapp 19 Millionen Euro investieren. Im Zentrum steht das Vorhaben, die Sicherheit, Lebensdauer und Nachhaltigkeit von Lithium-Ionen-Batterien entscheidend zu verbessern. „Battery4Life hat ein sehr weites Forschungsfeld, das sich über den Automotive-Sektor hinaus mit zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten und dem Second Life der Lithium-Ionen-Batterien beschäftigt. Neben dem mobilen Einsatz bietet die Funktion als stationärer Speicher ein großes Potenzial: Vom kleinen Haushalt mit PV-Anlage am Dach bis zum Industriebetrieb oder Energieversorger könnte überall eines dieser Speichersysteme stehen“, erklärt Ellersdorfer. „Um einen möglichst langjährigen und sicheren Lebenszyklus zu erreichen, müssen wir mehr über die Vorgänge in den Batteriezellen wissen.“ Denn derzeit würden – etwa nach einem Unfall mit einem Elektrofahrzeug – viel zu viele Energieträger kostenaufwändig entsorgt, weil man Sicherheits- und Umweltrisiken nicht ausschließen könne. „Ich behaupte, dass man eine Viel-zahl ohne Probleme weiterverwenden könnte – und hieraus kommt mein großer persönlicher Antrieb: Wenn wir in der Lage sind, diese Batterie zu beurteilen und in einem anderen Fahrzeug oder stationär weiterzuverwenden, dann hätten wir einen riesigen Meilenstein in Richtung Nachhaltigkeit erreicht.“ Selbst leistungsschwächere Systeme könnten etwa in Automated Guided Vehicles, also in Roboterfahrzeugen der Industrie, noch gute Dienste leisten.

Zur Person

Auf Herz und Nieren

Derzeit fehlen allerdings Daten, Erfahrungen und Modelle, die eine derartige wasserdichte Beurteilung ermöglichen. „Im Battery Safety Center (Testlabor der TU) testen wir Batterien also auf Herz und Nieren, um so viele Daten, so viel Wissen wie möglich zu sammeln. Das ist unsere erste Leidenschaft. Die Zweite: die Daten in die virtuelle Welt zu übersetzen und Modelle zu entwickeln, die das Verhalten der Batterie nach einem Crash oder über ihre ganze Lebensdauer inklusive Alterungsprozess beschreiben. Letztlich ist, drittens, unser Ziel, Prognosen zu erstellen: Welche Funktionen können wir Batteriesystemen künftig noch zuweisen, damit wir ihre Leistungsfähigkeit zur Gänze ausnützen und die Sicherheit jedenfalls gewahrt bleibt?“

Von den Forschungsergebnissen profitiert die gesamte Batterie Community vom Hersteller bis zur Recycler: „Das Wissen aus dem Labor in Anwendung zu bringen, ist das Rieseninteresse unserer Industriepartner: Was müssen sie beispielsweise am Separator in der Batteriezelle verändern, um sie besser auf den Fall eines Crashs vorzubereiten? Es ist ein Geben und Nehmen: Wir liefern laufend Teilpakete an Wissen, und während es die Unternehmen implementieren, forschen wir weiter.“ Ein wissenschaftlich-industrielles Vorwärts-Hanteln im Spannungsfeld von Performance, Sicherheit und Langlebigkeit.

Ein Mann mit kurzen dunklen Haaren und einem Spitzbart, der einen marineblauen Blazer und ein gemustertes Hemd trägt, lehnt an einer Glaswand und blickt nachdenklich nach oben.
„Oberstes Ziel ist, das Wissen aus dem Labor in Anwendung zu bringen“, so Wissenschafter Christian Ellersdorfer

Vom Maschinenbauer bis zum Juristen

Christian Ellersdorfer arbeitet mit einem schnell wachsenden Team von rund 30 Personen und einer Reihe von Disziplinen. „Das typische Team gibt es in unserem Forschungsfeld nicht.“ Batterieforschungsprojekte vereinen Expertinnen und Experten aus dem Maschinenbau, der Elektrotechnik und der Chemie mit Profis aus Informatik, Softwareentwicklung, Nachhaltigkeitsforschung oder Materialwissenschaft und Fachleuten der Betriebswirtschaft („Ist dieser Second-Life-Einsatz wirtschaftlich überhaupt darstellbar?“) und Rechtswissenschaft (Stichworte rechtliche Anforderungen an den Hersteller oder Batterie-Pass).

Das tatsächliche Potenzial des derzeit noch so jungen Forschungsfelds, ist schwierig auszumachen. „Die Forschung startete vor rund 25 Jahren, in denen kontinuierlicher Fortschritt gelang, vergleichsweise eine rasante Entwicklung.“ Trotzdem müsse man sich bewusst sein, dass wissenschaftliche Evolution „kein Schwarz-Weiß“ sei, sondern akribische Puzzlearbeit bedeute. Es herrsche eine unrealistische Erwartungshaltung an die Technologieforschung, der er selbst mitunter begegne: „So nach dem Motto: Habt ihr dieses und jenes noch nicht entwickelt?“ Dabei motiviere ihn genau dieser Aspekt zu exzellenter wissenschaftlicher Arbeit: „Wenn ich in einem Projekt 20 Forschungsfragen beantworte, mache ich gleichzeitig 1.020 neue Fragestellungen auf. Das ist unheimlich spannend.“

Fotos: Oliver Wolf

Banner mit dem Text "trinkvergnügen" und "Über 450 Weine & Champagner einfach online bestellen." Rechts zeigt ein Foto zwei Gläser Rotwein auf einem Holztisch im Freien bei Sonnenuntergang.